Woche der Meinungsfreiheit 2024

PRESSEFREIHEIT

„Dafür kommst du hier in den Knast“

Journalist:in sein, ist gefährlich: Mindestens 50 Journalist:innen wurden laut „Reporter ohne Grenzen“ (RSF) im vergangenen Jahr getötet, die meisten von ihnen gezielt ermordet. 387 Medienschaffende sitzen laut der von der Organisation veröffentlichten Jahresbilanz der Pressefreiheit in Haft, 54 wurden entführt.

Die Journalist:innen berichteten über Korruption, Umweltzerstörung, organisiertes Verbrechen oder Demonstrationen. Als gefährlichste Länder für Journalist:innen stuft die Organisation (in dieser Reihenfolge) ein: Mexiko, Irak, Afghanistan, Indien und Pakistan.

Das Land mit dem meisten inhaftierten Medienschaffenden ist China: 117 Journalist*innen saßen dort 2020 in Haft. Jüngster Fall: Die chinesische Bloggerin Zhang Zhan wurde Ende Dezember 2020 zu vier Jahren Haft verurteilt. Sie hatte während der Covid-Pandemie in kurzen Online-Videos kritisch aus Wuhan berichtet.

In der Türkei werden seit dem gescheiterten Militärputsch im Frühsommer 2016 Bürgerrechte und Pressefreiheit systematisch unterdrückt. Die Verurteilung des nach Deutschland geflüchteten Publizisten und ehemaligen Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet Can Dündar zu 27 Jahren Haft ist aktuell das jüngste Beispiel. Dündar gibt inzwischen einen deutschsprachigen Newsletter heraus, in dem er auf die Lage von in der Türkei inhaftierten Journalist:innen aufmerksam macht. Auch Anwält:innen von Oppositionellen und Medienschaffenden werden inhaftiert. Die Anwältin Ebru Timtik starb im August 2020 in einem Istanbuler Gefängnis nach 238 Tagen im Hungerstreik.

Ein weiteres, erschreckendes Ergebnis der RSF-Jahresbilanz: Immer häufiger werden Journalist:innen außerhalb von Krisengebieten getötet – auch in Mitgliedstaaten der EU: Im Jahr 2018 wurden der slowakische Investigativ-Reporter Ján Kuciak und seine Verlobte ermordet. Ein Jahr zuvor starb die maltesische Journalistin und Bloggerin Daphne Caruana Galizia durch eine Autobombe. Im Falle Kuciaks wurden die Täter überführt und verurteilt. Auf Malta läuft der Prozess gegen den Auftraggeber der Mörder von Daphne Caruana Galizia noch.

In anderen EU-Staaten wird die Pressefreiheit ebenfalls systematisch unterdrückt: In Ungarn werden die Medien von der Regierung Orban zentral gesteuert. In Polen wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk von der Regierung kontrolliert. Private Medien stehen unter massivem wirtschaftlichen und politischen Druck. Und in Frankreich versuchte die Regierung zuletzt, ein Gesetz einzuführen, das das Filmen von Straftaten, die durch Staatsorgane begangen werden, unter Strafe stellen sollte.

Übergriffe der Polizei gegen Journalist:innen gibt es auch in Deutschland. Als deutlich gefährlicher stuft Reporter ohne Grenzen jedoch die Bedrohung von Medienschaffenden durch Rechtsextremist:innen ein: Morddrohungen, „Feindeslisten“ und tätliche Angriffe haben zugenommen. Das Problem wird in der Bevölkerung nur eingeschränkt wahrgenommen, denn nicht alle Journalist:innen, die von Rechtsextremist:innen bedroht werden, gehen an die Öffentlichkeit wie der freie Journalist, Buchautor und ehemalige Spiegel-Reporter Hasnain Kazim.

Nicht zu vernachlässigen sind auch Versuche von Unternehmen und Einzelpersonen, investigative Recherchen und die entsprechende Berichterstattung zu behindern. Schadensersatzklagen über hohe, fünfstellige Beträge gegen einzelne Reporter können als Instrument der Einschüchterung angesehen werden und als Versuch, künftige, kritische Berichterstattung durch das jeweilige Medium zu verhindern. Im Falle der 78.000-Euro-Klage des CEO der insolventen Solar Millennium AG gegen die Süddeutsche Zeitung zeigte der Rechtsstaat dieser Art von Klagen Grenzen auf: Die Klage wurde abgewiesen.

Die Bedrohung von Journalist:innen durch Regime, öffentliche Institutionen, Interessengruppen, Extremisten oder Unternehmen stellt mehr dar als ein Vergehen an einer Einzelperson. Medienschaffende üben eine wichtige gesellschaftliche Funktion aus. Die Rolle der Medien als Kontrollorgan gegenüber Regierungen, Institutionen und Wirtschaft ist im Grundgesetz, wie in den meisten modernen Verfassungen auch, verankert. Anschläge auf Journalist:innen sind damit ein Anschlag auf die Freiheit jedes Einzelnen. Drohungen, Repressalien, Inhaftierungen und gezielte Tötungen von Journalist:innen dürfen daher nicht einmal im Ansatz toleriert oder mit einem Schulterzucken hingenommen werden.

Meinungs- und Pressefreiheit gehören schon via Grundgesetz untrennbar zusammen. Das eine ist ohne das andere der nicht zu haben. Warum das so ist, und wie aktuell beides bedroht wird, beschreiben Journalist:innen der Leipziger Zeitung in einer Artikelserie zur Woche der Meinungsfreiheit. Unter verschiedenen Aspekten, ganz persönlich, immer mit dem Blick auf die eigene Arbeit.

THEMA

Schweigespirale

 

 

THEMA

Staatliche Drohungen

 

 

Programm

Von Workshops über Lesungen zu Demos

Vom Debattier-Workshop über Lesun-gen wichtiger Meinungsbildner bis hin zu Demonstrationen für mehr Mei-nungsfreiheit vor der türkischen Bot-schaft – bring dich ein. In der Woche der Meinungsfreiheit haben wir viele Aktionen geplant.